Reisebericht – Island

15. September 2021

Island – eine Insel zwischen Naturspektakel und Moderne.

Wenn durchschnittlich drei Einwohner auf einen Quadratkilometer kommen, bleibt naturgemäß sehr viel Platz für eine menschenleere Natur und relativ wenig Zivilisation. Dies macht Island mit seinen knapp 320.000 Einwohnern zu einem wunderbaren Ort für alle Naturfreunde und Abenteurer.

Ursprünglich von Mönchen besiedelt, wurde die Insel im 9. Jahrhundert Ziel der Wikinger. Der norwegische Entdecker Ingólfur Arnason gründete als erster eine kleine Siedlung in einer Bucht nahe der heutigen Hauptstadt Reykjavik. Schon damals schien Island durch seine naturgewaltigen heißen Quellen aufzufallen, denn der Name Reykjavik lässt sich mit „Rauchbucht“ übersetzen.

Diesen naturbetonten Charme hat sich die Insel auf jeden Fall erhalten, denn wer Island zum ersten Mal zu Gesicht bekommt wird wahrscheinlich von seinen rauen und kantigen Oberflächen begrüßt. Grüne Landschaften, gepflastert mit kargem Felsen mit geringer Flora und Fauna zeichnen das Bild. Dazu erscheint das Meer bei geringem Wellengang und einem leichten Wind geradezu als beruhigender Kontrast.

Kleine, helle Straßen winden sich wie aufgezogene Seile durch die rohe Landschaft, während Häuser in der Umgebung von Reykjavik an die holzaffine Architektur von schwedischen Landhäusern erinnert. Kommt man allerdings in der Hauptstadt an, wandelt sich das Bild zu postmodernen hin, mehrstöckigen Gebäuden mit viel Glasfronten. Hier erinnert die Bauart sehr stark an eine Mischung aus edwardianischer Barockarchitektur mit modernen Elementen wie sie auch in Vancouver (Kanada) vorzufinden ist.

Meine Reiseroute, die auch bekannt ist unter dem Namen „Golden Circle“ geht einmal rund um die Insel und startet nach der Landung auf dem internationalen Flughafen in Kevlavik in der Hauptstadt in Reykjavik.

Das wohl bekannteste Gebäude in Reykjavik ist die evangelisch-lutherische Pfarrkirche „Hallgrimskirkja“, die mit ihrem expressionistischen Stil ein signalstarkes Wahrzeichen der Stadt darstellt.

Von außen betrachtet bietet das zweithöchste Gebäude in Island jederzeit einen Orientierungspunkt innerhalb der Stadt. Trotz der Dominanz im Stadtbild besticht der Innenraum allerdings durch schlichte und klare Linien, sowie durch ein überwältigendes Orgelprospekt mit mechanischem Spieltisch.

Direkt neben der Kirche befindet sich das Einar-Jónsson-Museum. Einar Jónsson, der 1874 auf dem Berggipfel Galtafell geboren wurde, galt als erster Bildhauer Islands. Mehrere Aufenthalte und Kunstausstellungen in Europa, unter anderem auch in Deutschland, Italien und Dänemark, aber auch in den USA, brachten ihm in der Heimat schnell den Ruf eines internationalen Künstlers ein. Wer sein Leben und seine Werke bewundern möchte, dem sei geraten einmal in den kleinen Gartenbereich hinter dem Museumsgebäude zu blicken. Der Außenbereich ist zu bestimmten Zeiten der Öffentlichkeit zugänglich. Hier befinden sich des Meisters frühe Werke, die seit der Eröffnung 1984 stetig den Blick auf die eintrudelnden Besucher richten.

Vor Ort erzählt man sich, dass Einar Jónsson nicht nur ein angesehener Bildhauer war, sondern auch ein Philanthrop, der bereits zu Lebzeiten davon geträumt hat eine Art Akropolis inmitten der Stadt zu errichten. Er vertrat die Auffassung, dass alle Einwohner Reykjaviks freien Zugang zu Kultur erhalten sollten, um so inspiriert zu werden, ihr Leben als selbstverwirklichende Künstler in den Mittelpunkt stellen zu können.

Jónsson‘s Kunst stellt eine Mischung aus geschichtlichen, meist biblischen Motiven dar, die zum großen Teil mystifiziert sind. So werden, zum Beispiel Engelsskulpturen, die an das Paradiesbild erinnern, mittels plastischer Bildhauerei als Hybrid zwischen einem Engel und einem Baum dargestellt. Aus Respekt vor dem künstlerischen Wirken und um Anreize zu schaffen sich die Kunst vor Ort anzusehen, werde ich an dieser Stelle keine Bilder publizieren.

Beobachtet man das Treiben und die Menschen in der Stadt stellt man schnell fest, dass die isländische Kultur auf der einen Seite eher introvertierte Persönlichkeiten hervorbringt, diese aber dennoch sehr hilfsbereit und zuvorkommend sind. Man bekommt den Eindruck, dass die Menschen eine gesunde Verbindung zur Natur haben, aber auch modernen, digitalen Technologien aufgeschlossen sind. Als Beispiel sei das Bussystem genannt, das für den Endkunden vollkommen App-basiert zugänglich ist. Öffentlich zugängliche Parks werden zu gemeinsamen Versammlungszwecken und sportlichen Aktivitäten genutzt. Auffällig ist die Abwesenheit von großen amerikanischen Franchiseketten, wie McDonalds oder Starbucks. Stattdessen findet man viele kleine einheimische Gaststätten und Gastronomien, die lokale, aber auch international Speisen anbieten.

Auch sehr zu empfehlen ist das Perlan Museum, das etwas außerhalb des Innenstadtbereichs auf dem kleinen Hügel Öskjuhlíð liegt. Die Ausstellung, die ich vor Ort bewundern durfte, kann man als gelungene Mischung aus den Naturwundern Islands und den gewaltigen technologischen Fortschritten des letzten Jahrhunderts beschreiben. Das Gebäude selbst befindet sich auf einem künstlichen Geysir, der aber nur zu gewissen Zeiten aktiv ist. Vom Dach aus hat man eine wunderbare Sicht auf die Stadt sowie auf das naturbelassene Umland.

Von hier aus nicht zu erblicken, aber dennoch einen Besuch wert ist das imposante Konzerthaus am Hafen, die Harpa, zu Deutsch Harfe. Der Blick in die Eingangshalle verrät, Architekten und Akustik Spezialisten haben hier ein wahrhaftiges Symbol für Raumklang und Akustik erschaffen. Das gesamte Gebäude lädt ein in jeden Winkel zu blicken und die schlichten, aber eleganten Räume des Hauses zu erkunden. Die Außenfassade gleicht einem Kristall und ist das visuelle Highlight des Gebäudes, denn manche Fenster sind mit einem Spezialglas, sogenanntem dichroitisches Glas, versehen. Dieses lässt nur bestimmte Wellenbereich des Lichts hindurch und verändert je nach Sonneneinstrahlung und Betrachtungswinkel seine Farbe. Die wabenartige Gestaltung gibt dem Gesamtbild eine fundierte Struktur, wohingegen das Zusammenspiel von Gelb, Orange und Grün auf vereinzelten Waben ein eher regelbefreiter Eindruck abgibt. Durch die angelegte Struktur erscheint die Gesamtkomposition dennoch sehr ausgereift und harmonisch und erzeugt je nach Lichteinfall verschiedene Lichtstimmungen. Das isländische Wetter ließ an diesem Tag leider keine geeignete Außenaufnahme zu, daher gibt es an dieser Stelle nur eine Innenaufnahme des Gebäudes.

Nach einem wunderschönen und eindrucksvollen Wochenende in der Hauptstadt ist es nun an der Zeit aufzubrechen um die Naturschönheiten des Landes kennenzulernen. Sobald man die städtischen Landesteile verlässt, stellt man fest, dass die Anzahl der Menschen erheblich kleiner ist gegenüber der Anzahl der Schafe. Wenn man längere Touren mit dem Fahrzeug zurücklegen möchte, besonders in den winterlichen Monaten ab September, sollte man vorausschauend planen. Dazu gehört insbesondere die Wahl nach dem richtigen Gefährt. Ein Allrandantrieb ist auf vielen Straßen Pflicht und wird bei Vergehen gegebenfalls mit Geldbußen geahndet. Außerdem ist es durch die teilweise starken Steigungen und Serpentinstraßen äußerst sinnvoll ein gut motorisiertes Fahrzeug zu wählen.

Interessanterweise hat bei meinem Besuch in Island quasi jedes einschlägig bekannte Vermietungsbüro keine Fahrzeuge mehr im Verleih gehabt. Hintergrund war der angeblich vorhandene Mangel an Fahrzeugen bei gleichzeitig stark überhöhter Nachfrage. Mein Tipp an dieser Stelle ist, sich kleine, lokale Vermietungen zu suchen, die abseits von Skimming und überhöhten Preisen operieren.

Das Einladen von genügend Proviant für den Weg, aber auch für den Notfall ist ebenso empfehlenswert, wie die Wahl der richtigen Reiseroute. Je nach Wetterlage kann eine Straße sehr schnell gesperrt sein. Meine Route Richtung Osten wurde mehrfach unterbrochen und durch potenzielles Flutwasser geändert, das vorwiegend aus Regengüssen und Gletscherwasser entsteht.

Ein guter Navigator an der Stelle ist die folgende Webseite: https://en.vedur.is/weather/forecasts/areas/. Hier finden sich nicht nur Wettervorhersagen für die gesamte Insel, sondern auch Aurora Forecasts, die natürlich für mich wesentlich waren was meine Nachtfotografie anging. Wer an den entstandenen Aufnahmen interessiert ist, sollte hierzu einmal in der Galerie vorbeischauen. Vorab kann ich nur sagen, dass die Eindrücke durch dieses Schauspiel eine wahrhaftige Naturinszenierung darstellen, die ich so noch nie erlebt habe. Jedem dem das Glück vergönnt ist, einmal die tanzenden Lichter mit eigenem Auge zu sehen, wird sich sehr ehrfürchtig und achtungsvoll an diesen Moment zurückerinnern.

Aber nun zu meiner Reiseroute. Meine erste Station führt zum knapp 40km von Reykjavik entfernten Vulkan Grindavíkurbær im südwestlichen Teil der Insel. Bei Aufstieg zum Vulkan begibt man sich zunächst durch einen längeren Wanderweg, der zum Ende hin zum Vulkangebiet führt. Am Vulkan angekommen, spürt man schnell wie kraftvoll die Erde gewirkt haben muss, um eine derartige Szenerie zu offenbaren. An einigen Stellen brodelt und dampft es noch kräftig und man sollte aufpassen, wo man mit seinen hartgummierten Wanderschuhen hintritt, um diese nicht anschmelzen zu lassen. Sobald man auf Moos und Gras tritt (was man aus Rücksicht vor der Natur nur bedingt machen sollte) stellt man fest, dass sich der Fuß zentimetertief eingräbt.

Das Wetter beim Aufstieg hatte einen typisch isländischen Charme; Regen und Graupelschauer prägten für sehr lange das Bild. Wenn man nur lang genug wartet und ein wenig Glück hat, strahlt dann doch das ein oder andere Mal die Sonne hindurch. Dies lässt den Betrachter, dann besonders in einer solch skurrilen Vulkanlandschaft, das ein oder andere Mal erstaunen.

Nach einigen Stunden am Vulkan war es dann Zeit für den Abstieg. Als ich am späten Abend am Auto angekommen bin, musste ich feststellen, dass die Batterie des Leihwagens leer war. Glücklicherweise waren neben mir ein paar deutsche Touristen, die bereitwillig ihren Wagen angeboten haben, um Starthilfe zu leisten. Nach mehreren Versuchen ist dieses Unternehmen leider gescheitert, sodass mir nichts anderes übrigblieb als den Autoverleih zu kontaktieren. Dieser kam nach einer Stunde Wartezeit direkt vorbei und überließ mir einen 10 Personen Van, der dann nicht nur zu meinem Gefährt wurde, sondern in großen Strecken auch zu meiner Unterkunft. An der Stelle sei erwähnt, dass Island ausgewiesene Parkzonen hat, die jeder kennen sollte. Sollte man also campen wollen, sollte man vorher schauen an welchen Stellen man sein Fahrzeug auch nachts abstellen kann. Hier kann ich die App Parka.is empfehlen, die innerhalb Reykjaviks und in den Nationalparks Campingplätze anzeigt.

Als nächste Station stand der bekannte Kerit Krater auf dem Programm. Das unter Naturschutz stehende Kratergebiet beherbergt in der Mitte ein mit kristallklarem Wasser gefüllten See, den man durch eine einfache Wanderung von Beginn an eindrucksvoll bewundern kann. Es ist nicht eindeutig geklärt wie der Krater entstanden ist. Vulkanologen gehen jedoch davon aus, dass der Krater das Ergebnis einer explosiven Eruption eines 6.500 Jahre alten Vulkans ist. Nachdem dieser seine gesamten Magma Reserven aufgebraucht hat, fiel er in sich zusammen und ergab die heutige Formation.

Eines meiner Ziele für diese Reise war das Ausprobieren meines neuen Objektivs, sowie das Verwenden meines neuen Filtersystems. Daher lag es nahe, dass es an der Zeit war, zum ersten, etwas kleineren, Wasserfall aufzubrechen, um dieses nun zu testen. Nähe Bláskógabyggð, einer kleinen Gemeinde in der südwestlichen Region Islands gibt es unzählige Wanderrouten, die zum Teil in wilde Natur führen. Meine Empfehlung an jeden Abenteurer ist, sich hier einfach von der Landschaft treiben zu lassen und die Gegend ohne detaillierten Reiseführer zu erkunden.

Wem es danach steht einmal ein authentisches isländisches Bad zu sich zu nehmen und dabei nicht scheut dies unter freiem Himmel zu tun, empfehle ich eine der heißen Quellen wie Gudrúnarlaug. Das heiße Becken ist seit über 1.000 Jahren Anlaufstelle für Besucher aus aller Welt. Am besten erreicht man den etwas abgelegenen Ort in den Westfjorden mit dem Auto. Freier Eintritt und interessante Gespräche mit einem einmaligen Ausblick in die Landschaft sind inklusive. Natürlich geht es immer eine Version luxuriöser, indem man die örtlichen Touristenhotspots, wie die Blaue Lagune aufsucht. Allerdings sollte man sich hier von überhöhten Preisen und einem Überfluss an Badegästen nicht abschrecken lassen.

Einer der wohl berühmtesten Fotospots der Insel befindet sich in der Nähe von Sólheimasandur, genauer gesagt am Strand von Sólheimasandur das US Navy Flugzeugwrack. Ein kleiner Hinweis für all diejenigen, die schnell mal ein Bild vom berühmten Flugzeugwrack machen wollen: Plant Zeit und eine etwas längere Wanderroute ein. Denn der Weg zum Strandabschnitt, an dem sich das Wrack befindet, führt über eine karge Ebene in der es weit und breit kein Strauch oder Felsen gibt. Stattdessen nur schwer erkennbare Holzmarkierungen. Daher empfehle ich den Weg auf keinen Fall nachts anzugehen. Stattdessen sollte man, wenn man die ersten Lichtstrahlen des Tages einfangen möchte, zwei Stunden vor Sonnenaufgang aufbrechen und entsprechend Proviant und Wasser mitnehmen. So flach der Weg zum Strand auch ist, man kommt sich ein wenig wie ein Wüstenwanderer vor, der nach jedem Schritt den Horizont neu vermisst und schaut, ob man vorangekommen ist. Der einzig stete Begleiter ist die Sicht auf die nahegelegene Gebirgskette mit dem Plateaugletscher Mýrdalsjökull.

Sobald man am Strand angekommen ist, sieht man die Überreste der Maschine. Einsam und verlassen erzählt sie jedem Besucher ihre Geschichte. 1973 geriet die US-Maschine in kalte, eisige Stürme und musste spontan am Strand notlanden. Der Pilot rettete durch seine Aktion alle sieben Besatzungsmitglieder. Der Flug war als routinemäßiger Vorgang im Rahmen des Verteidigungsabkommens zwischen Island und den USA vorgesehen. Man muss wissen, dass zwischen 1941 und 2006 auch amerikanische Truppen in Island stationiert waren, da das Land selbst keine eigene Armee besitzt und nur durch das NATO-Bündnis geschützt wurde. Wer Interesse hat das Wrack zu besuchen, sollte sich beeilen, denn der Bereich ist nachweislich Vulkangebiet. Sollte es also zum Ausbruch kommen, könnte das Wrack entweder von Lava erfasst oder einfach von den Wasserwellen weggespült werden.

Wer genau hinsieht erkennt auf dem Bild einen Strand, der durch das Lavagestein sehr dunkel und schwarz wirkt. Diese außergewöhnliche Kulisse bietet nicht nur dem Flugzeugwrack eine hervorragende Bühne, sondern auch herkömmlichen Eisbergen. Diese befinden sich etwas weiter östlich in der sogenannten Gletscherlagune von Jökulsarlon. Hier türmen sich die angespülten Eisberge, meist aus dem nahegelegenen und größten Gletscher Europas, dem Vatnajökull auf und bieten jedem Fotobegeisterten eine eindrucksvolle Szenerie. Fast schon bizarr wirkt das dunkle Meeresufer mit den lichtbrechenden Eisblöcken. Nicht zu Unrecht wurde dem Gebiet die Bezeichnung Diamond Beach verliehen, wobei man festhalten kann, dass dieser Ausdruck in der isländischen Kultur so nicht zu finden ist. Die Einheimischen nennen diesen Abschnitt Breidamerkursandur, in dem am Ende der Bezeichnung das Wort Sand (sandur) steckt. Mein Tipp für alle Fotoaffinen, macht Euch früh morgens einen warmen Tee und zieht früh los, um die ersten Sonnenstrahlen einzufangen. Die Magie der ersten Sonnenstrahlen kommt besonders in den prisma-artigen Lichtbrechungen der Eisblöcke zur Geltung. Die Dynamik der Wasserwellen hinterlässt bei jeder Berührung mit den Eisblöcken einzigartige Spuren und Bewegungen, was die gesamte Szenerie in einem einzigen, vergänglichen Kunstwerk erscheinen lässt. Die meisten Strandabschnitte sind bereits morgens sehr gut von Fotografen besucht, sodass man hier um einen guten Platz ein wenig konkurrieren muss.

Die nächste Station meiner Reise führt mich an den südöstlichsten Punkt der Insel, nach Sveitarfelagio Hornafjorour. Auf dem Weg dorthin ist es angenehm zu spüren, dass das Wetter langsam aufklart. Der Nebel verschwindet, die Regeneinheiten nehmen ab und die Sonne lässt sich deutlich länger blicken. Meine Hoffnung auf echte Nordlichter zu treffen, steigt somit deutlich an. Wer den Weg bis an den äußersten Punkt im Osten wagt, bekommt einen unvergleichlichen Ausblick auf die Stokksnes Landzunge. In der ansässigen Gaststätte sieht man ein prächtiges Bild an der Wand an der übersetzt steht, dass man die Stokksnes nicht so fotografieren kann, dass sie nicht gut aussieht. Dem kann ich ausnahmslos beipflichten, das Panorama ist einfach gewaltig.

Wer Island kennt, weiß dass das Land oft Kulisse berühmter Hollywoodfilme und Serien wurde. Da ich selbst ein großer Freund der Werke von Sir Ridley Scott bin, musste ich natürlich bis in den Nordosten fahren um den mächtigen Dettifoss in Augenschein zu nehmen. In der Eröffnungsszene des Science-Fiction Blockbusters „Prometheus – Dunkle Zeichen“ eröffnet Scott hier den Film, der später eine inhaltliche Brücke zu den Alien Filmen der 80er Jahre schlagen soll. Man erkennt schnell, warum der Drehort nicht nur im Film imposant daherkommt. Unbeirrbar rasen die Wasserfluten wie aus einem Guss 44 Meter tief in das Gefälle hinab. Je näher man dem Strom kommt, desto lauter wird es und man muss die brachiale Naturgewalt ehrfürchtig anerkennen für das was sie ist, majestätisch, aber durchaus tödlich. Sollte es einen Intendanten geben, der Wagner’s Götterdämmerung vor einer ansehnlichen Kulisse darstellen möchte, würde man hier leicht fündig werden.

Da es gerade um die Götter geht, darf natürlich ein besonderer Wasserfall an dieser Stelle nicht fehlen. Gemeint ist natürlich der einzigartige Godafoss-Wasserfall, der nun auf dem Rückweg meiner Reise nach Reykjavik liegt. Wie der Name erahnen lässt, geht es hierbei um den Wasserfall der Götter, die Namensgebung offenbart hier eine interessante Anekdote. Island war vor der Besiedlung der Christen im elften Jahrhundert durchweg heidnisch geprägt. Das ansässige Heidentum stammt ursprünglich aus Norwegen, die ihre Naturgötter bei Besiedlung importiert haben. Als das Christentum Einzug hielt, warf der Legende nach, der ranghöchste isländische Gesetzessprecher Þorgeir Ljósvetningagoði im elften Jahrhundert nach Christus seine heidnischen Gottesstatuen in die Fluten des Wasserfalls. Dieser symbolische Akt gegenüber dem Christentum datiert einen wesentlichen Meilenstein in der Geschichte des Landes, da dies als Ende des bekannten heidnischen Glaubens aufgefasst werden kann.

Wer einen Abstecher zu den Schwefelquellen Islands nicht scheut, sollte einmal bei Hverir vorbeischauen. Ein surreales Geothermalgebiet, das voller Schwefel und Fumarolen (Stellen an denen Wasserdampf austritt) einen wirklich gespaltenen Eindruck hinterlässt. Die Farbpracht des Erdbodens ist unbeschreiblich schön. Man erkennt blau-gelbe Muster in allen Schattierungen, die vom Schwefel gezeichneten rot-braunen Linien, und unterhalb des Bergrückens des Námafjall offenbaren sich dampfende Abgründe, die stark an höllische Felsöffnungen erinnern. Was auch höllisch ist, lässt sich mit Worten schwer beschreiben – der faulige, schwefeldurchzogene Geruch. Ich muss gestehen, dass so schön wie die Kulisse ist, so schnell habe ich selten mein Stativ auf und wieder abgebaut.

An dieser Stelle meiner Reise befinden sich noch 3 Reisetage vor mir, bevor ich meinen Rückflug nach Deutschland antrete. Spontan entschließe ich mich daher noch zu den entlegenen Westfjorden aufzubrechen, die tatsächlich einen gehörigen Umweg meiner Rückreise darstellen.

Ein klares Ziel aufgrund des aufkommenden schlechten Wetters habe ich an dieser Stelle nicht. Was ich jedoch noch sehen möchte, ist der letzte große und etwas abgelegene Dynjandi Wasserfall. Wer die Reise hier hin unternimmt, sollte jedoch die Wetterbedingungen vorher genau studieren. In vielen Teilen fährt man über wenig befahrene Serpentinen und lange windige Brücken hinweg. Ruckartige Winde können bei unvorsichtigem Fahren entsprechend gefährlich werden, davor warnen selbst die Einheimischen mit denen ich sprechen durfte.

Am Dynjandi angekommen erkennt man schnell warum dieser Wasserfall so viele in seinen Bann zieht. Die umliegende Landschaft setzt ihn einfach verdammt gut in Szene. Der starke Strom des Wassers lässt den Wasserfall wie ein gezeichnetes Gemälde erscheinen. Mit seinen über 100 Meter Höhe und 30 Meter Breite entfaltet er ein wahrhaft eindrucksvolles Bild. Der Aufstieg bis zur Spitze ist etwas mühselig, da man an den glitschigen Felshängen aufpassen muss, um nicht abzurutschen. Von hier aus kann man prima den gesamten Fjord überblicken, muss sich aber von den tobenden Winden des Wasserfalls fernhalten. Spätestens hier wird klar, woher der Wasserfall seinen Namen hat. Übersetzt bedeutet Dynjandi „der Dröhnende“ oder „der Tobende“.

Nun geht es, begleitet von Sonnenschein und leichtem Regen zurück in die Hauptstadt. Sobald man wieder in der Zivilisation ist, merkt man wie sehr man durch die Abwesenheit vom hektischen Wesen der Stadt, entschleunigt ist. In Teilen fühlt sich alles sehr chaotisch und unnötig schnell an. Dieser Effekt dauert zwar nicht allzu lange, da meine Reise nun auch bald endet und ich mein Mietauto zurückgeben muss.

Nachdem alle Formalitäten erledigt sind und man etwas über das Erlebte reflektieren kann wird mir bewusst, wie viel ich doch auf dieser Reise sehen, erfahren, mitnehmen und erleben durfte. Von allen Eindrücken ist mir doch eines das Heiligste gewesen – die Erfahrung mit eigenen Augen Nordlichter zu sehen. Hierbei sei zu erwähnen, dass ich zwar immer insgeheim gehofft habe diese zu entdecken, allerdings bewusst versucht habe meine Erwartungen angesichts der Wetterlage nicht zu groß werden zu lassen. Inmitten einer einsamen Gebirgslandschaft, nahe einem verlassenen Gletscher im Süden Islands sind in zwei Nächten die folgenden Bilder entstanden.

Das Glücksgefühl beim Aufnehmen war in etwa genauso groß wie der zugrundeliegende Überraschungsmoment. Mit bloßem Auge sind die Lichter um diese Jahreszeit im September schwer zu erfassen, die Kamera hingegen erfasst jedes einzelne Lichtteilchen. Was die Kamera hingegen nicht vermag korrekt aufzuzeichnen sind die tanzenden Bewegungen, welche die Himmelserscheinungen vollführen. Bei solch einer erhabenen Darbietung drängt sich die Frage auf, wie unsere Vorfahren wohl auf dieses Phänomen geblickt haben müssen. Welche Emotionen werden dabei hervorgerufen worden sein? Erstarrt man in ehrfürchtigem Staunen oder lässt man sich hiervon kreativ inspirieren. Der moderne Mensch neigt dazu die Vorkommnisse rational erklären zu wollen, entzieht jedoch in kleinen Dosen, dem Schauspiel die Magie, die es benötigt um aufgeführt und verstanden zu werden. Es ist schwierig bei solchen Erlebnissen nicht ergriffen und nachdenklich zu werden.

Ich hoffe ich konnte einen kleinen Beitrag leisten Island als ein künftiges Reiseziel zu empfehlen. Als Fazit möchte ich festhalten, dass die Insel ein wunderbarer Ort ist, um sich selbst erfahren zu können. Die stillen Nächte und lange Wanderungen lassen die Seele zur Ruhe kommen und den Alltag schnell vergessen. Auf all den Wegen ist mir oft der Satz von John Donne ins Gedächtnis gerufen worden, der einmal folgendes festgehalten hat:

„Kein Mensch ist eine Insel, ganz für sich allein. Jeder Mensch ist ein Stück des Kontinents, ein Teil des Ganzen.“

Auch wenn der britische Schriftsteller und Dichter mit Hang zur Metaphysik bereits vor 400 Jahren weitergezogen ist, so gilt das Gesagte besonders in der heutigen Zeit als wahr. Ich nehme jedenfalls ein Stück Island mit nach Hause und werde es auf künftigen Reisen und Begegnungen sehr gerne mit anderen teilen.

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